. Der Sinn des Lebens
Vom Glück der Selbstfindung

Econ-Verlag, 240 Seiten

Leseprobe

Der Sinn des Lebens
Econ-Verlag, Seite 25-29

Die Sinngeber und ihre Absichten

Wenn ein Mensch geboren wird, ist er ein äußerst formbares und lernfähiges Wesen. Er ist, anders als die Tiere, nicht in ein festgefügtes Instinktschema eingebunden. Seine Plastizität ermöglicht ihm die größte Freiheit und Lernfähigkeit aller Lebewesen auf dieser Erde. Es handelt sich hier um eine phantastische Chance, die jedoch meist kläglich verspielt wird.

Mit anderen Worten, in der Sprache eines Bildes, ist der Mensch bei seiner Geburt ein leeres Gefäß, in das die verschiedensten Sinninhalte hineingegossen werden. Nicht das Gefäß ist schuld, wenn ein Leben gelingt oder nicht gelingt, sondern die Inhalte sind es. Wenn der Inhalt »schlecht« ist, werfe ich, um im Bild zu bleiben, nicht das Gefäß weg, sondern ich schütte den Inhalt aus und fülle das Gefäß neu.

Die vielen Sinngeber gießen ihre Inhalte in die Gefäße der heranwachsenden und erwachsenen Menschen. Zuerst die Eltern: Sie vermitteln dem Kind erste Normen, Lebensregeln und bieten Verhaltensvorbilder, die das junge, lernbegierige Wesen zu übernehmen versucht. Um mit Sigmund Freud zu sprechen: Zuerst ist der Mensch »Es«, danach erlebt er, »Ich« zu sein, also ein eigenständiges Individuum, kontrolliert vom »Über-Ich«, den übernommenen Normen, Regeln und Lebensmaximen der Eltern, Lehrer, Chefs, Lehrmeister und Autoritäten. Verhaltensnormen werden in den Geist introjiziert. Der Heranwachsende ist nicht nur passives Opfer dieser Introjektionen, denn er ist ja lernwillig und lernbegierig. Das Gefäß will sich mit Inhalten füllen.

Die Sinngeber - oder schlichter gesagt - die Inhaltgeber sind Eltern, Lehrer, Lehrherren und Ausbilder, die Religionsvermittler, es sind Medien, Autoren, Künstler, Kreative, es ist die gesamte Gesellschaft in ihrer Beschaffenheit, das Wirtschaftsleben mit Werbung und Konsumimpulsen, die Freunde und Bekannten mit ihren prägenden Auffassungen - ein großer Markt von Sinngebern ist zu allen Lebenszeiten präsent.

Überall und ständig werden wir von Sinngebern beeinflusst. Die Mutter sagt zum Sohn: Diese Frau ist nichts für dich. Der Vater sagt: Du darfst ruhig lügen, wenn es dem Zweck nützt, denn der Zweck heiligt die Mittel. Der Lehrer sagt: Da bist du unbegabt, aber hier bist du besser als die anderen. Die Religion sagt: Das ist Sünde, und dieses ist gottgefällig. Die Werbung verheißt: Wenn du dieses Produkt kaufst, wirst du erfolgreich, beliebt und angesehen sein. Der Spielfilm vermittelt: Wenn du mit dieser Mimik sagst: »Schau mir in die Augen, Kleines«, hast du Erfolg bei Frauen. Die Illustrierte rät: Wenn du dich so oder so verhältst, bleibst du jung und schön. Und wenn du gar dreimal in der Woche mit deiner Frau ein intensives Gespräch führst, dann geht sie nicht fremd. Das ist die Realität, von der wir umzingelt sind.

Die Freundin gibt dir Ratschläge, der gute Freund rät zu einem Freizeitsport, der das absolute Hochgefühl vermittelt. Dein Bruder aber sagt, du sollst unbedingt dieses eine Buch lesen, dann fallen alle Probleme von dir ab. Der eine schwört auf den total befreienden Tanzkurs in der Schule xy, und der nächste sagt dir eindringlich, dass er auf Yoga und autogenes Training schwört. Ein anderer wiederum warnt dich, dass das alles falsch sei, denn du müsstest dich der Bewegung der Licht-Esoteriker anschließen, während ein weiterer dir rät, diesen ganzen Kram zu verwerfen, sich politisch zu betätigen, damit sich die Welt verändere – einzige Konsequenz: der Öko-Natio-Sozio-Freiheitsbewegung beitreten, die den Krieg garantiert verhindert, die Armut lindert und dein Bewusstsein erweitert. Dein bester Freund aber sagt, er hätte nun entdeckt, was dem Leben wirklich Sinn gibt, nämlich das Elementarste, die Sexualität – und er lädt dich ein zu einer Gruppensexparty, die jeden Sonntag im Club Jasmin in Sinnsdorf stattfindet.

Du triffst einen alten Schulfreund, ihr habt euch zehn Jahre nicht mehr gesehen, und er erzählt dir sofort von seinem großen Glück, an dem du auch teilhaben kannst. Denn er geht einmal in der Woche zu einem Hypnosetherapeuten, der dich in Trance versetzt, damit du ermitteln kannst, welche Person du vor deiner Geburt warst, wie deine verschiedenen Leben davor verlaufen sind – und nicht nur das. Er sagt dir, was dabei herausgekommen ist. Einmal sei er ein Räuber in der Eifel gewesen, der in einer Höhle lebte, mit einer Gräfin, die er bei einem Überfall aus der Kutsche gezogen und die sich dann unsterblich in ihn verliebt habe. Er sei gefangen worden und hätte seinen Kopf unter dem Fallbeil verloren; was aus der geliebten Gräfin Sieglinde wurde, wisse er allerdings nicht; aber vielleicht würde sie ihm in diesem Leben wieder begegnen, denn unser ganzes Leben sei eben eine Schicksalslinie, die aus der Vergangenheit käme und über die wir deshalb Bescheid wissen müssten. - Das sind Szenen, die Heiterkeit hervorrufen. Dennoch spiegeln sie traurigen Ernst wider. All das sind keine erfundenen Beispiele, all das sind Begebenheiten, die mir tatsächlich so erzählt wurden.

Schließlich bedrängen dich die vielen Erfolgsratgeber, wenn du tatsächlich durch deine eigene Leistung einmal Erfolg hast. Sie sagen dir, du wirst noch erfolgreicher, wenn du ihnen dein Geld gibst, denn sie stecken es in Kupfer, Zinn, Immobilien auf Atlantis, sie kaufen für dich Ben Zenturio, den kommenden Maler des Jahres 2ooo wenn du ein Bild jetzt für zehntausend kaufst, erzielst du in elf Jahren eine halbe Million für dieses Objekt.

Die Sinngeber und ihre Absichten zeigen, wie wir von »guten Ratgebern« umgeben sind. Die Absichten sind immer die gleichen: Schließe dich mir an! Werde einer von uns! Und was nützt dir das? Dir nützt es gar nichts. Eher schon dem anderen. Denn dem soll es seelische Kraft (oder Geld) vermitteln, wieder einen dazugewonnen zu haben. Deshalb heißt es auf der Hut zu sein vor allen Sinngebern. Sie wollen dich gewinnen für irgendeinen

Eigennutz, mag er finanziell, religiös-sektiererisch, ideal oder politisch gefärbt sein. Dieses Buch ist kein Sinngeber. Ich will niemanden zu irgendeinem eigennützigen oder »gemeinnützigen« Ziel manipulieren, denn ich möchte, dass wir uns frei machen von alledem. Wir müssen ganz neu beginnen, damit sich etwas Wesentliches verwirklicht: Die Liebe.