Stärkung des Ich
Die zweite Geburt der Selbstwerdung

Econ-Verlag, 214 Seiten
 

Leseprobe

Stärkung des Ich
Econ-Verlag

Körper, Seele, Geist

Um sich selbst zu verstehen, muß man sich beobachten. Und sich selbst beobachten heißt nicht, egozentrisch zu sein. Auf dieses abwertende Argument der Selbstbeobachtung möchte ich später eingehen. Beginnen werde ich mit den elementaren Zusammenhängen von Körper, Seele und Geist.

Der Körper ist die materielle Basis; er besteht aus Materie, die chemischen und physikalischen Gesetzen unterliegt. Dieser Körper steht dir zur Verfügung; er ist die elementare Grundlage, die du fit und gesund erhältst, um aktiv sein zu können. In diesem Körper wirken die beiden anderen wichtigen Bereiche des Menschseins: Seele und Geist.

Der Geist hat eine organisch lokalisierbare Grundlage: das Gehirn. Du hast dieses Gehirn genutzt und die Techniken des logischen Denkens erlernt, dein Gedächtnis trainiert und viel Wissen gespeichert. Weiter hast Du gelernt, mit diesem Wissen umzugehen und folgerichtige Gedanken auszudrücken. Dieses Denken ist eine Fähigkeit, die erlernt werden muß. Dein Geist gibt dir die Möglichkeit, über das intelligente Denken dieses Instrument gut zu gebrauchen. Die Denkfähigkeit ist ein Werkzeug, um beispielsweise im Berufsalltag erfolgreich sein zu können.

Das ist für dich nichts Neues. Nun komme ich zu der dritten Dimension, der Seele. Mit deiner Seele hast du dich bisher weniger befaßt. Du treibst Sport, um deinen Körper gesund zu erhalten, du bildest dich weiter, um das Instrument Geist fit zu erhalten. Was aber hast du für Deine Seele getan? Du hast die Seele sozusagen links liegen lassen.

Theologie war neben der Philosophie über viele Jahrhunderte zuständig für das Seelenleben. Das hat sich um die Jahrhundertwende mit der Begründung der Psychoanalyse durch Sigmund Freud geändert. Danach hat sich die Psychologie als eigenständige Wissenschaft von der Seele des Menschen entwickelt. Die Psychologie ist unabhängig von der Theologie, der Philosophie und der Medizin. Natürlich berühren sich diese Gebiete, aber es wurde erkannt: Die Psyche als dritte Dimension des Menschseins muß ein eigenständiges Forschungsgebiet sein. Die Theologen haben das nicht gerade gerne gesehen, befürchteten sie doch (zu Recht), ihren Alleinanspruch in Sachen Seelenleben zu verlieren. Selbst heute noch hegen viele Theologen gegenüber der Psychologie eine starke Skepsis, obwohl sie mit Psychologen in karitativen Einrichtungen (Erziehungsberatungsstellen, Eheberatung, Telefonseelsorge usw.) zusammenarbeiten.

Die Bedeutung der Seele

Die Mediziner sind für den Körper zuständig, die Theologen für die unsterbliche Seele und Gott, und die Psychologen sollen sich gefälligst um das Seelenleben kümmern. Leider neigen wir zur der fatalen Haltung, einfach draufloszuleben - und wenn etwas nicht funktioniert, gibt es ja für alles einen Fachmann, der sich dann darum kümmern soll.

Bezüglich deines Körpers denkst du an Vorsorge; du machst Gymnastik und bemühst dich um gesunde Ernährung. Deinen Geist hältst du fit durch Schulungen und Trainingsseminare. Das Religiöse wird erledigt, indem du zu Weihnachten einer Predigt lauschst und als Bildungsreisender berühmte Kathedralen aufsuchst und Kirchenfenster bewunderst. Und was gibst du deiner Seele? Das Seelische erscheint dir anscheinend nicht so wichtig.

Wenn du dich verliebst, dann ist deine Seele sehr aktiv. Die angenehmen Gefühle, die damit verbunden sind, werden in vollen Zügen genossen. Wenn du enttäuscht wirst und Frustrationen fühlst, dann ist das auch ein Bestandteil deines Seelenlebens, aber den möchtest du schnell loswerden und vergessen. Du stürzt dich in Ablenkungen, um schnell davon wegzukommen; als wäre Seelisches nur dazu da, um auf dem Vergnügungstummelplatz präsent zu sein. Unter den Teppich mit allem Unangenehmen und dann tanzen, genießen, lachen und fröhlich sein! Alles andere: Ängste, Sorgen, Kummer, Aggression, Neid, Destruktivität - schnell weg damit, sich nur nicht damit befassen.

Das Seelenleben ist aber eine Ganzheit; es kann nicht aufgespaltet werden in gute Bereiche, die wir annehmen, und schlechte Bereiche, die wir ablehnen. Du solltest keine seelischen Teile abspalten. Aber das ist die alltägliche Praxis vieler Menschen: Sie trennen sich vom Seelenleben, sie verdrängen es, fliehen vor ihm. Diese Abwehrmechanismen habe ich oft beschrieben. Und du wunderst dich dann, daß unter dem Teppich und in den scheinbar abgeschlossenen Verliesen deines Inneren ein Gärungsprozeß stattfindet, der dir immer unheimlicher wird und der dich von Tag zu Tag in mehr Schwierigkeiten und Krisen bringt. Du fühlst ein Unbehagen und flüchtest nun umsomehr in Unterhaltung und Vergnügen, um zu vergessen. Aber die Seele vergißt nicht. Sie will nicht abgeschoben werden. Sie hat ein elementares Recht darauf, sich zu beteiligen. Wir meinen, das Gedachte des Geistes (der Ratio), wäre das Bedeutungsvollste überhaupt. Ich sage dir: Psychisches ist viel bedeutungsvoller als Gedachtes!